Wer in Ulm die Donau entlangspaziert und den Blick ein wenig schweifen lässt, landet unweigerlich im Fischerviertel – einem der schönsten und lebendigsten Winkel der Stadt. Hier wirkt es, als hätte jemand die Uhr ein paar Jahrhunderte zurückgedreht. Schmale, krumme Gassen winden sich zwischen alten Fachwerkhäusern hindurch, und kleine Brücken überspannen Kanäle, in denen das Wasser gemächlich glitzert. Der Duft von frisch gebratenem Fisch und der Klang plätschernder Mühlräder mischen sich mit dem fröhlichen Stimmengewirr von Einheimischen und Besuchern.
Seinen Ursprung hat das Fischerviertel im Mittelalter, als hier Handwerker, Fischer und Gerber lebten und arbeiteten. Die Lage direkt an der Blau, einem Nebenfluss der Donau, war perfekt: Das Wasser trieb die Mühlen an, diente als Transportweg und bot den Fischern reiche Beute. Damals ging es hier nicht nur geschäftig, sondern auch ein wenig rau zu – schließlich war dies das Arbeiterviertel einer wachsenden Handelsstadt. Die Häuser wurden dicht an dicht gebaut, oft schief und krumm, weil der Boden nachgab oder die Baukunst eher pragmatisch als prunkvoll war.
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Das berühmteste dieser Häuser ist wohl das „Schiefe Haus“. Mit seiner schrägen Neigung sieht es aus, als würde es jeden Moment ins Wasser kippen, und doch steht es seit Jahrhunderten fest verwurzelt. Heute beherbergt es ein Hotel, das nicht nur im Guinness-Buch der Rekorde, sondern auch im Herzen vieler Gäste steht. Übernachten hier ist ein kleines Abenteuer – man schläft quasi in einem Stück lebendiger Baugeschichte.
Wer durch das Fischerviertel schlendert, kann kaum anders, als immer wieder stehenzubleiben. Mal entdeckt man eine winzige Gasse, die nur ein paar Schritte lang ist, mal einen versteckten Innenhof mit blühenden Geranien und einer Bank, die zu einer kurzen Rast einlädt. Das Rauschen der Blau begleitet einen ständig, und wenn man Glück hat, sieht man sogar noch einen Fischer, der wie in alten Zeiten sein Netz auswirft.
Heute ist das Fischerviertel ein beliebter Treffpunkt – für Touristen, die den Zauber vergangener Tage suchen, ebenso wie für Ulmer, die hier ein Glas Wein oder ein schwäbisches Vesper genießen. Die alten Häuser erzählen Geschichten von Fleiß und Einfachheit, von Festen und vom harten Leben am Wasser. Und wer hier an einem Sommerabend sitzt, wenn die untergehende Sonne die Fachwerkfassaden golden färbt und das Wasser in warmen Tönen glitzert, der versteht, warum das Fischerviertel weit mehr ist als ein malerisches Postkartenmotiv. Es ist ein Herzstück Ulms, ein Ort, an dem Geschichte und Gegenwart so sanft ineinanderfließen wie die Blau in die Donau.
